Liebe Vineyard-Family,
spätestens seit März dieses Jahres wird unser Leben maßgeblich durch ein Virus
bestimmt. Politiker, Ärzte, einflussreiche Wirtschaftslenker und
Gewerkschaftsvorsitzende neben vielen anderen, suchen nach einem Weg, der uns
möglichst sicher und unbeschadet durch diese Krise führt. Wir als Leitungsteam
bilden da keine Ausnahme, stehen vor der gleichen Herausforderung und fragen uns,
wie wir das (Gemeinde) Leben fördern und schützen können ohne unsere körperliche
Gesundheit zu gefährden. Gleichzeitig überlegen wir, welche Chancen die Krise mit
sich bringt und wozu sie gut ist.
Wenn der Sturm der Veränderung tobt, soll man dann Schutz suchen oder
Windmühlen bauen?
Scheinbar werden wir vor eine Wahl gestellt. Und vereinzelt kam es vor, dass wir als
Leitungsteam von Personen gedrängt wurden, uns für eine der beiden Alternativen zu
entscheiden. Mehr Rückzug oder ‚Vorwärts‘ ungeachtet möglicher Risiken. Dabei
müssen diese Optionen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Ein Bild aus der Natur
veranschaulicht dies.
Als der Tropensturm Harvey 2017 die US Golfküste verwüstete und schwere
Überschwemmungen hinterließ, konnte man beobachten, dass Ameisen sich zu
einem lebendigen Floß formierten. Sie bildeten eine tatkräftige Floßgemeinschaft und
schwammen ohne größere Verluste auf der Wasseroberfläche dahin. Das ist
erstaunlich, denn von Natur aus können sie nicht schwimmen und müssten im
Kollektiv untergehen, weil sie zu schwer sind. Aber sie haben einen Weg gefunden,
wie es dennoch gelingt. Die Tiere haken sich mit ihren Mundwerkzeugen und
Hinterbeinen ein und verbinden sich so zu einer unsinkbaren Schwimmgruppe. Durch
den engen Kontakt entsteht eine dichte Struktur, in die kein Wasser eindringen kann.
Kleinste Luftbläschen im Innern des Haufens sorgen für den nötigen Auftrieb. Weil
diese Luft ihr Leben sichert, herrscht eiserne Disziplin an Bord. Fällt eine Ameise aus,
krabbelt sofort eine andere hinterher und schließt die Lücke. Das lebende Floß ist so
robust, dass es den Tieren gelingt auch größere Strecken zu überwinden und neue
Siedlungsgebiete zu erschließen.
In verschiedener Hinsicht ist dieses Bild oder Gleichnis bedeutungsvoll. Es ist nicht
gut, dass der Mensch alleine ist, denn wir sind aufeinander angewiesen. Nicht jeder
ist mit jedem verbunden, aber es braucht drei, vier enge Kontakte. Dabei können
Mundwerkzeuge und Hinterbeine der Ameisen für Wort und Tat bei Menschen
stehen. Durch unser Reden und durch unsere praktische Hilfeleistung formt sich eine
dichte Struktur. „Kein böses Wort darf über eure Lippen kommen. Vielmehr soll das,
was ihr sagt, gut, angemessen und hilfreich sein“ (Eph. 4, 29). „Solange wir also noch
Gelegenheit dazu haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun, ganz besonders
denen, die wie wir durch den Glauben zur Familie Gottes gehören“ (Gal. 6, 10). So
bekommen wir Auftrieb und erreichen neue Siedlungsgebiete. Freunde, Nachbarn,
Kollegen werden aufmerksam auf die Art und Weise, wie wir leben. Jesus sagt: „Ich
gebe euch ein neues Gebot: Liebt einander! Ihr sollt einander lieben, wie ich euch
geliebt habe. An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger
seid“ (Joh. 13, 34f). Ich wünsche mir sehr, dass wir an unserer Liebe zueinander
erkannt werden. Gerade in dieser besonderen Zeit, in der soziale Kontakte nur
eingeschränkt möglich sind und Covid19 unseren Alltag prägt. Möge es so werden,
dass wir dadurch als Kleingruppen enger zusammenrücken und auf diese Weise neue
Ufer erreichen.
In herzlicher Verbundenheit,
Reiner