Mai 2022

Liebe Gemeinde,

sie sind an Autobahnen ein bekanntes Bild: Plakate auf denen die Unfallursachen unangepasste Geschwindigkeit und Ablenkung thematisiert werden. Vor dem Hintergrund eines Mannes mit Beinprothese erscheint die Kernbotschaft: „Weil der andere zu schnell war“. Ein anderes Plakat zeigt einen Mann, der mit seiner linken, gesunden Hand den rechten Arm mit Prothese hält. Davor der Satz: „Weil die andere kurz abgelenkt war.“
Was für das Verhalten im Straßenverkehr gilt, ist übertragbar auf unser Lebenstempo und unsere Lebensführung. Zu hohe Geschwindigkeit und Ablenkung gefährden die eigene seelische Gesundheit und die anderer Menschen. Unserer Schnelllebigkeit und unseres Unfokussiertseins sind wir uns allzu oft gar nicht bewusst. Es ist auch hier wie beim Autofahren. Plötzlich stellt man fest, im günstigen Fall beim Blick auf den Tacho und im schlechten, sobald das Blitzgerät aufleuchtet, dass man Begrenzungen überschritten hat. Oder es geschieht wie bei der Handy-Nutzung. Man hatte sich am Anfang der Woche nicht vorgenommen, die Bildschirmzeit in den nächsten Tagen um über 30% zu steigern. Und doch ist es einfach so passiert, wie der Blick auf den Wochenbericht zeigt.
Der Mensch ist geneigt, sich leicht ablenken zu lassen und sich unbemerkt immer schneller zu bewegen. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungen, die diese Tendenzen verstärken. Bereits im Jahr 2009 machte der Historiker, Bestsellerautor und Fernsehredakteur Dr. Markus Spieker auf Folgendes aufmerksam:
1. Die Welt wandelt sich schneller, umfassender als je zuvor. Die Globalisierung der Wirtschaft, die Digitalisierung der Kommunikation, die Pluralisierung der Lebensformen und die technischen Fortschritte in allen Bereichen erzeugen zusammen eine Art „perfekten Sturm“ der Veränderung. Dazu kommen Bevölkerungsexplosion, die Energieverknappung, die Verbreitung gefährlicher Waffen. [Anmerkung für die Konservativen: Umdrehen geht nicht; es gibt kein Zurück. Anmerkung für die Progressiven: Ohne Bremsen droht der Crash.]
2. Die herkömmlichen Kontrollsysteme versagen. Die gewählten Volksvertreter sind immer weniger in der Lage, den Wandel zu steuern.
3. Neue Machtzentren entstehen. Die Agenten des Wandels sind nicht gewählt und werden nicht kontrolliert. Es sind Wissenschaftler, Entertainer, Manager und Diktatoren.
4. Es kommt vermehrt zu Krisen. Die Dinge ändern sich schneller, als die Menschen reagieren können. Die Eliten sind überfordert, die Strukturen dysfunktional, die Ideologien nicht zukunftstauglich.
5. Keiner weiß, ob sich die Krisen, …, friedlich überwinden lassen.
( Markus Spieker. Faithbook. Ein Journalist sucht den Himmel. 2009 Johannis Verlag. 2.Aufl. S.40ff. )

Das war 2009. Vor Corona und vor dem Krieg in der Ukraine. Heute empfinden viele einen Kontrollverlust sowohl in Politik und Wirtschaft als auch im persönlichen Leben. Umso mehr sollten wir auf diese Einladung hören. Jesus spricht: „Kommt her zu mir alle, die ihr euch bis zur Erschöpfung abmüht und schwere Lasten zu tragen habt! Ich will euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Mt.11, 28-30).
Ruhe finden. Inmitten eines turbulenten Alltags und einer aus den Fugen zu geratenden Welt. Das ist nicht nur möglich, sondern wird uns von Jesus versprochen. Was es bedeutet, dieser Einladung zu folgen und wie dies konkret unseren Lebensstil beeinflusst, darüber werden wir in den nächsten Wochen in den Sonntagspredigten nachdenken. An dieser Stelle verweise ich nur noch auf Psalm 23:

Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße wegen seines Namens.
Und wenn ich auch im finsteren Tal wandere, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir übervoll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir mein Leben lang folgen, und ich werde immerdar im Haus des HERRN bleiben.

Seiner Führung dürfen wir uns – immer wieder neu – anvertrauen. Dabei könnte der Kontrast nicht stärker sein. Der Kontrast zwischen den Autobahn-Plakaten mit den Aufschriften „zu schnell“ und „abgelenkt“ und dem Bild eines Schafhirten, der seine Herde führt.

Herzlich,
Reiner

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